Behandlungsfehler durch den Tierarzt - wie sieht es mit der Haftung aus?
Tierärzte kümmern sich aufopfernd um unsere Haustiere und sie stehen Tag und Nacht bereit, um das Leben von Hunden, Katzen, Pferden oder anderen Kleintieren zu retten. Oft mit großem Erfolg, aber in manchen Fällen kann der Tierarzt nichts mehr machen, weil die Krankheit zu weit fortgeschritten ist oder die Verletzungen zu groß sind. Wie sieht es aber aus, wenn ein Haustier durch den Behandlungsfehler des Tierarztes verstirbt? Muss der Tierhalter den Behandlungsfehler nachweisen? Steht der Tierarzt wohlmöglich in der Haftung? Mit diesem Problem hat sich aktuell das Oberlandesgericht Oldenburg befasst.
Pferdetritt mit tödlichen Folgen
Soviel vorweg: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einem Urteil vom 25.03.2015 einen Tierarzt zu einer Schadensersatzleistung verurteilt, weil es durch einen Behandlungsfehler zum Tod eines Pferdes kam. Dem Urteil ist ein langwieriges Verfahren vorausgegangen, der Vorfall, der zur ursprünglichen Verletzung des Pferdes führte, ereignete sich bereits im Juli 2010. Die Halterin des Pferds hatte eine Verletzung in Höhe des Unterschenkelknochens festgestellt und war daraufhin bei ihrem Tierarzt vorstellig geworden. Dieser diagnostizierte lediglich eine äußerliche Verletzung und versorgte die Wunde. Dier Tierarzt verordnete Ruhe für zwei Tage, sofern keine weitere Schwellung auftritt. Nach drei Tagen saß die Pferdehalterin wieder im Sattel und stellte Unreinheiten beim Beritt fest. Eine weitere Diagnose durch den Tierarzt ergab eine Fraktur des verletzten Beines, eine Operation gelang jedoch nicht, so dass das Pferd eingeschläfert werden musste.
Verletzung durch Tritt eines Artgenossen
Da der Wert des getöteten Pferdes relativ hoch anzusetzen war, musste ein Gutachter die Verletzung genauer betrachten. Dabei ergab sich, dass die Verletzung durch den Tritt eines anderen Pferdes hervorgerufen wurde. Dieser Tritt führte nicht nur zu einer äußerlich sichtbaren Wunde, sondern auch zu einer Fissur des Knochens. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Tierarzt das Risiko einer Fissur hätte erkennen müssen. Diese Fissur hat erst kurz darauf zur vollständigen Fraktur geführt, da das Pferd weiterhin im Paddock gehalten und nicht ruhig gestellt wurde. Beim Aufstehen des Pferds kam es nach der Ansicht des Gutachters zu der folgenschwerenVerletzung.
Pferdehalterin stand nicht mehr in der Beweislast
Generell liegt bei einem Behandlungsfehler die Beweislast beim Tierhalter gegenüber dem Tierarzt. Zunächst hatte das Landgericht Osnabrück in erster Instanz die Beweislastumkehr zugelassen, da eine entsprechende Anwendung in der Humanmedizin möglich ist. Das Oberlandesgericht Oldenburg, das nun abschließend den Rechtsstreit beurteilen musste, kam zu einem anderen Ergebnis. Die bei der Humanmedizin geltenden Rechtsvorschriften können nicht generell auf die Veterinärmedizin übertragen werden. Vom Ergebnis her ließ das OLG Oldenburg dennoch die Umkehr der Beweislast zu, diese sei je nach Einzelfall individuell zu prüfen. Im vorliegenden Fall müsse davon ausgegangen werden, dass der Tierarzt mit seinem Rat, dass das Pferd schon nach zwei Tagen wieder geritten werden könne, erheblich das Risiko der tödlichen Fraktur erhöht habe.
Abschließend muss nun das Landgericht Osnabrück als erste Instanz nun über die Höhe des Schadensersatzes verhandeln. Die Forderung der Pferdehalterin und Klägerin wird auf 100.000 Euro beziffert.
Ähnliches Urteil durch das Oberlandesgericht Hamm im Jahr 2014 – 60.000 Euro Schadensersatz
Dass die Umkehr der Beweislast in manchen Fällen tatsächlich zum Tragen kommt, dokumentiert auch das Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm vom 21.02.2014: Hier wurde ein Tierarzt zu einer Schadensersatzzahlung von 60.000 Euro verurteilt.
Ein Dressurhengst wurde im Jahr 2004 in einer Bochumer Tierklinik durch einen Tierarzt wegen einer Birkelandfraktur behandelt. Es waren kleine Knorpel-Knochen-Fragmente im Gelenk entdeckt worden. Der Tierarzt empfahl die Operation, allerdings ohne die Pferdehalter auf die Risiken aufmerksam zu machen. Nach der Operation lahmte der Hengst dauerhaft und konnte nicht mehr als Dressurpferd eingesetzt werden. Die Schadenersatzforderung der Pferdehalter hatte Erfolg, der Zivilsenat des OLG Hamm bejahte die Haftung des Tierarztes.
Operation hätte in der gewählten Form nicht stattfinden dürfen
Nach Ansicht der Richter am OLG Hamm hätte die Operation nicht in der vorgenommenen Form stattfinden dürfen. Zum einen sei der Erfolg der Operation völlig offen gewesen, auf der anderen Seite hatte der Tierarzt einen suboptimalen Zugang zur Entfernung der Chips gewählt, dadurch kam es zu einer Traumatisierung des Bandapparates und in der Folge zur Lahmheit des Pferdes.
Als schwerwiegend sahen die Richter auch die mangelhafte Aufklärung des Tierarztes an. Zwar sei die Aufklärungspflicht nicht so hoch anzusetzen wie in der Humanmedizin, da es nicht um ein schützenswertes Selbstbestimmungsrecht des Patienten ging. Dennoch ist bei einem hohen finanziellen Interesse des Tierhalters eine umfangreiche Aufklärung von hoher Notwendigkeit. Schließlich hat es sich bei dem operierten Pferd um ein hochwertiges Dressurpferd gehandelt. Die Höhe der Schadensersatzforderung war in diesem Fall also gerechtfertigt und musste von dem behandelnden Tierarzt auch übernommen werden.