Nordrhein-Westfalen: Ist der Sachkundenachweis für Hundehalter sinnvoll?

Publiziert am Mittwoch, 23. März 2016 von Manfred Weiblen

Zwei Hundeattacken im Jahr 2015 sorgen noch immer für Gesprächsstoff in Nordrhein-Westfalen: Im Juli 2015 wurde ein zweijähriges Mädchen und deren Familie in Duisburg von einem nicht angeleinten Rottweiler attackiert. Dabei wurde das Mädchen lebensgefährlich verletzt. Im Dezember 2015 sorgten zwei Hunde in Kleve am Niederrhein für Aufregung: Sie rannten auf ein benachbartes Grundstück, griffen die 70-jährige Grundstückseigentümerin an und töteten ihren Hund. Der Halter der Hunde konnte nur mühsam eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Zwei schwere angriffe – die Hunde waren nicht angeleint. Sind einige Hundehalter sich nicht bewusst, wie schnell bei ihrem Vierbeiner der Jagdinstinkt hervorkommt?

Prozess gegen Hundehalter in Duisburg wurde verschoben

Eigentlich sollte Ende Februar 2016 der Prozess gegen die Halterin des Rottweilers Pascha und ihrer Freundin beginnen. Das Verfahren wurde in der Vergangenheit von der zuständigen Richterin am Amtsgericht Duisburg an ein Schöffengericht abgegeben. Es steht für die Halterin der Vorwurf der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung im Raum, die Freundin, die an dem Tag den Rottweiler unangeleint ausführte, wird wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Der Prozessauftakt musste verlegt werden, da durch die Nebenkläger mehr als 20 Zeugen geladen hat. Es soll in dem Prozess geklärt werden, ob der Rottweiler schon in der Vergangenheit auf Kinder losgegangen ist.

Am 6. Juli 2015 hat der Rottweiler Pascha eine Familie in Duisburg attackiert. Zunächst einen vierjährigen Jungen und dann den Vater. Danach stürzte er sich auf das Mädchen und fügte ihr schwerste Kopfverletzungen zu. Das Kind wird für immer entstellt bleiben. Trotz besseren Wissens, dass der Hund in Begleitung Dritter angeleint sein musste, war der Rottweiler unangeleint unterwegs. Daher muss die Halterin mit einer Verurteilung wegen schwerer vorsätzlicher Körperverletzung rechnen. Ihr drohen bei einer Verurteilung ein bis zehn Jahre Haft.

Dramatische Hundeattacke in Kleve

Zu einer Hundeattacke durch einen Wolfshund und einer Mischling aus Dogge und Boxer kam es im Dezember in Kleve am Niederrhein. Eine 70-jährige Frau befand sich mit ihrem Cocker Spaniel vor der Haustür. Die beiden fremden Hunde kamen unvermittelt über die Auffahrt gerannt und griffen zunächst die Hundehalterin an. Sie konnte den Angriff mit Pfefferspray abwehren, danach fielen die beiden Hunde den Spaniel an. Der Halter, ein 55-jähriger Niederländer kam hinzu, konnte die Hunde aber auch nicht trennen. Der Cocker Spaniel überlebte den Angriff nicht. Der fremde Hundehalter ergriff die Flucht, als er mitbekam, dass die Polizei alarmiert wurde. Hier ereignete sich die Hundeattacke ebenfalls, weil beide Hunde nicht angeleint waren.

Sind manche Hundehalter einfach zu sorglos?

Viele Halter von Hunden vertreten die Ansicht, dass der Vierbeiner sich auch mal ohne Leine bewegen soll. Das ist natürlich auch richtig, aber in bewohnten Gegenden tatsächlich auch sinnvoll? Zu viele Risiken sind damit verbunden, etwa, wenn der Hund auf eine befahrene Straße läuft oder auf einen anderen Hund oder sogar Kinder aufmerksam wird und sein Jagdinstinkt erwacht. In andern Bundesländern gelten längst der Leinenzwang innerhalb von städtischer Bebauung und auch die Pflicht, einen Sachkundenachweis zu machen. Damit soll der verantwortungsvollere Umgang mit Hunden vermittelt werden.

Dort, wo der sogenannte Hundeführerschein bereits eingeführt wurde, hagelt es dennoch Kritik: Die Chance, bei einem Verstoß gegen die jeweiligen Hundegesetze der Ländern erwischt zu werden, ist äußerst gering. Mitunter sind noch vielerorts Hunde ohne Leine unterwegs, die eigentlich behördlichen Auflagen unterliegen. Ob also ein Sachkundenachweis tatsächlich das Bewusstsein einiger Hundehalter verschärft, dürfte fraglich sein. Damit schaden sie letztendlich auch allen anderen Hundehaltern, die sich mit ihren Hunden an die gängigen Gesetze halten.

Warum ist der Hundeführerschein nicht das Allheilmittel?

Einmal den Sachkundenachweis gemacht und schon ist Ruhe. Unter Umständen wird sogar die Hundesteuer reduziert. Ob letztendlich alle Auflagen erfüllt sind, lässt sich in der Folgezeit kaum noch kontrollieren. Wird der Hund tatsächlich überall dort angeleint, wo es notwendig ist? Betrachten wir es mal nüchtern: Beim Autofahren darf man auch nicht unangeschnallt fahren oder das Smartphone bedienen. Dennoch halten sich nicht alle Autofahrer an die gültigen Regelungen. Wieso sollte das bei einem Hundeführerschein dann anders sein.

Fakt ist aber, dass zumindest die Hundehaftpflichtversicherung durchgehend zur Pflicht werden muss. Damit wären zumindest die Voraussetzungen gegeben, dass Geschädigte ihren Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld befriedigt bekommen. Im Falle des zweijährigen Mädchens in Duisburg dürften die Forderungen wohl in absehbarer Zeit einen sechsstelligen Betrag erreichen – allein schon die Kosten für die Heilbehandlungen wird sich der Krankenversicherer von der Hundehalterin zurückholen wollen. Nebenbei: Der Rottweiler in Duisburg wurde nach langen gerichtlichen Zerren eingeschläfert.

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