Traumata bei Pferden - Wenn sich etwas tief in die Seele eingebrannt hat

Trauma – ein Begriff, den wir Menschen eigentlich fast nur bei uns anwenden. Ein Ereignis in unserer Vergangenheit wurde als lebensbedrohlich empfunden, es bestand keine Möglichkeit, dieser Situation zu entkommen. Nach einem solchen Szenario, etwa einem schweren Autounfall, bleiben viele Menschen traumatisiert und brauchen psychologische Hilfe, um wieder in den Alltag hineinzukommen. Das kann bei Pferden ebenso passieren. Sie sind vom Wesen her Fluchttiere und haben als instinktive Reaktionen nur die Möglichkeit des Kampfes oder der Flucht. Ist beides nicht möglich, so verfällt das Pferd in eine Art Schockstarre.
Wie äußert sich beim Pferd eine Posttraumatische Belastungsstörung?
Durch ein Ereignis, das bedrohlich auf das Pferd einwirkt, erscheint das Pferd wegen der Schockstarre wie eingefroren oder sogar tot. Dabei werden im Inneren des Körpers Unmegen an Überlebensenergie produziert, die ursprünglich zwei Effekte auslösen sollte: Einerseits der Schutz vor Schmerzen bei einem drohenden Tod und andererseits Energie, um bei einer mögliche Flucht voll mobilisiert zu sein. Kommt es zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung, können die Symptome vielfältig sein. Das Pferd kann entweder sehr lethargisch wirken, aber auch völlig aufgedreht reagieren. Diese Belastungsstörung tritt nur selten bei Pferden in freier Wildbahn auf, da sie im Laufe ihres Lebens lange genug Überlebenstrategien aufbauen konnten. Das fehlt natürlich zum Teil bei den domestizierten Pferden.
Wodurch kann ein Trauma ausgelöst werden?
Wie auch bei uns Menschen muss hier eine Situation auftreten, die lebensbedrohlich wirkt und aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt. Andererseits können auch schlechte Haltungsbedingungen, eine fehlerhafte Ausbildung, ein Transportunfall der Auslöser sein – Situationen, aus denen sich das Pferd sich nichts mittels Flucht oder Kampf befreien kann. Dabei sind Pferde die von vornherein einen sensiblen Charakter haben, deutlich mehr gefährdet. Experten neigen nicht immer dazu, die Desensibilisierung durchzuführen. Bei einer Konfrontation mit den auslösenden Geschehnissen kann es bei Pferden eher zu einer Wiederholung des Traumas führen.
Welche Therapieansätze werden von Pferdeexperten empfohlen
Einer der Grundsätze zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen nach dem Traumatherapeuten Peter Levine lautet: Körpertherapie steht im Vordergrund. So wird dem Pferde geholfen, Bewegungsabläufe, die das Pferd zunächst vermieden hat, kontrolliert auszuführen und dabei immer die Flucht nach vorne zuzulassen. Ein anderer Therapieexperte, Francine Shapiro, setzt auf die bilaterale Stimulation, so dass Emotionen von der Erinnerung abgekapselt werden sollen. Erinnerungen sollen so verarbeitet werden, dass dadurch parallel keine emotionale Belastung stattfindet. In beiden Fällen bedarf es natürlich einer ganzen Menge Zeit und einer einwandfreien Beziehung zwischen dem Pferd und seinem Halter. Davon ist das Gelingen abhängig.
Wie reagieren Pferde auf die Behandlung?
Pferde können hier sehr unterschiedliche Reaktionen zeigen. War das Pferd zuvor lethargisch von seinem Verhalten, kann es passieren, dass es nun erst einmal aufdreht, sich also vollständig in die andere Richtungen bewegt. Das ist aber normal, da die Psyche erst einmal wieder stabilisieren muss. Dabei werden durch das Pferd Verhaltensmuster gezeigt, die es in bestimmten Situationen gar nicht zeigen konnte.
Was ist für den Pferdebesitzer während und nach der Therapie wichtig?
Grundsätzlich gilt: Das Pferd darf nicht überfordert werden. Es muss sich erst an seine neue Situation gewöhnen. Dabei spielt auch der Reiter eine wichtige Rolle: War er in das Ereignis verwickelt, etwa bei einem Unfall durch die Kollision mit einem Auto, so muss dieser auch erst seine Ängste überwinden. Ansonsten wird dadurch die gemeinsame Beziehung zwischen Mensch und Pferd gestört. Die Behandlung an sich kann ganz unterschiedlich verlaufen. Mal ist es schon mit einer Therapiestunde beim Pferd getan, es kann aber auch mal Wochen andauern. Wichtig dabei ist einfach, dass auch in Konfliktsituationen die Chemie zwischen Pferd und Halter oder Reiter stimmt. Nur so kann ein traumatisches Erlebnis verarbeitet werden. Ist die Posttraumatische Belastungsstörung erst einmal aufgelöst, ist das Pferd auch wieder normal reitbar.