Streit unter Pferden: Welche Strategie nimmt den Dampf heraus?

Publiziert am Mittwoch, 2. Januar 2019 von Manfred Weiblen
Pferd zeigt Unterwürfigkeit

Streit gibt es unter Tieren immer mal wieder und bei Pferden auf der Weide kann so etwas regelmäßig passieren. Das kommt allein schon daher, dass Pferde um die Dinge kämpfen, die sie zum Überleben benötigen.

Selbst wenn Futter, Wasser und Platz genug vorhanden sind, kommt es zwischen Pferden immer wieder zu Streitigkeiten. Das liegt einfach am Wesen des Tieres: Sie mussten sich in ihrer Vergangenheit als Steppentiere jeden Tag aufs Neue gegen ihre Konkurrenten durchsetzen. Eine Rangelei unter Pferden wirkt spektakulär, dabei treten sie um sich oder beißen in die Luft. In vielen Fällen ist es eine Drohgebärde gegen andere Artgenossen und geht glimpflich aus. Was ist aber, wenn es regelmäßig zu Streitigkeiten mit schweren Verletzungen einzelner Tiere kommt?

Wichtig, wenn Ihr Pferd an einer Rangelei beteiligt war: Die Pferdehaftpflicht die Kosten möglicher Schadensersatzansprüche.

Kleine Rangeleien sind noch kein Anlass zur Besorgnis

Es scheint zunächst verwunderlich, dass Pferde in der freien Wildbahn weitaus weniger Zoff mit anderen Tieren haben. Das liegt einfach daran, dass hier die Tiere genügend Raum haben, sich aus dem Weg zu gehen. Es gibt unterschiedliche Futterplätze und Trinkmöglichkeiten. Kommt es dennoch zum Streit zwischen den Tieren, so besteht schon bei Beginn der Konfrontation genug Platz zur Verfügung, um sich aus dem Weg zu gehen. Bei Pferden auf der Weide ist das Konfliktpotenzial allein schon aufgrund der Begrenzung der Weide deutlich höher. So können sich Kontrahenten nicht immer aus dem Weg gehen. Was aber hier für Pferde typisch ist, dass ein Streit in den meisten Fällen schnell vorbei geht.

Streit durch Unterwürfigkeit beenden

In der Regel drückt eins der Pferde durch eine Art Niederknien mit den Vorderläufern Unterwürfigkeit aus. Diese Stellung dient auch dazu, sich vor möglichen Attacken zu schützen. Der Blick ist vom gegnerischen Pferd abgewendet, die Augen halb geschlossen. Pferde, die in der Rangordnung weit unten stehen, sind in der Regel diejenigen, die vor dem anderen Pferd kuschen. Langwieriger kann eine Konfliktsituation sein, wenn zwei Pferde gleichen Ranges sich miteinander kabbeln. Zwar geht auch hier ein Streit schnell vorbei, diese Kabbeleien können aber öfter auftreten. Hier wird es gefährlich, weil anhaltende Auseinandersetzungen dazu führen, dass Pferde regelmäßig Verletzungen erleiden und durch den Stress erkranken.

Gefahr bei größeren Verletzungen

Nicht jede Bisswunde oder Kratzspur ist zwangsläufig ein Indiz dafür, dass sich Ihr Pferd mit anderen Artgenossen gezankt hat. Diese Verletzungen können durch eine Reihe von Ursachen auftreten. Sie müssen aber dann reagieren, wenn Ihr Pferd regelmäßig Verletzungen aufweist. Aufmerksamkeit ist auch dann gefragt, wenn bei Ihrem Pferd die Verletzungen heftiger ausfallen. Jetzt ist es nicht mehr ein Kratzer, sondern bereits eine sichtbare Verletzung der Hautoberfläche. Ist das der Fall, dann geht es bei den Rangeleien schon etwas heftiger zur Sache. Dazu kommt, dass Ihr Pferd dadurch an Stress leidet und erkranken kann. Ihr Pferd wirkt ängstlich, es kommt kaum noch zur Ruhe, weil ein anderes Pferd Ihren Liebling auf den Kieker hat und ständig attackiert, ohne dass es zu größeren Verletzungen kommt. Das führt letztendlich dazu, dass Ihr Pferd unter enormen Stress leidet. Den Übeltäter auszumachen ist schwierig, denn dafür müssten Sie die Pferde regelmäßig unter Beobachtung haben. In solchen Fällen ist es sinnvoll, die Notbremse zu ziehen. Ein neuer Nachbar im Stall oder sogar der Wechsel der Gruppe - das kann bereits Abhilfe schaffen. In den meisten Fällen hilft eine solche Veränderung schon erheblich weiter.

Kann ich bei Streitereien unter Pferden eingreifen?

Hier sind sich die Pferdeexperten einig: Wenn Sie einen Streit beobachten, der nicht gerade mit dem Ausfechten der Rangordnung etwas zu tun hat, sollten Sie dazwischen gehen. Natürlich nicht im wörtlichen Sinne, dabei ziehen Sie den Kürzeren und sich auch noch Verletzungen zu. Nutzen Sie dazu einen verlängerten Arm wie eine Gerte. Geben Sie mit sicherem Anstand den Streithähnen einen Klaps damit auf die Hinterhand. Haben Sie beobachtet, welches Pferd angefangen hat, dann bekommt der Aggressor den Klaps. Ansonsten bekommen beide Pferde den Klaps. Wenn Sie sich bei einem Streit nicht in die Nähe der Pferde begeben möchten, dann hilft aus sicherer Distanz ein lauter schrei. Das löst bei den Pferden genug Verblüffung aus, dass sie voneinander ablassen. Im Übrigen akzeptieren Pferde durchaus Streitschlichter. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir Menschen dabei eingreifen oder es unter den Pferden einen Streitschlichter gibt. Diese haben eine ausgeprägte soziale Persönlichkeit und schaffen es, die Streithähne durch Abdrängen voneinander zu trennen.

Tipp für Pferdefreunde: Die Pferdekrankenversicherung übernimmt die Kosten, wenn der Tierarzt Blessuren aus den Kabbeleien behandeln muss.

Wer trägt die Haftung, wenn eines der Pferde sich bei Kabbeleien Verletzungen zuzieht?

Verletzung am Lauf eines Pferdes

Viele Pferdefreunden kennen sich nur wenig mit der Rechtslage aus. Kein Wunder, wird in jedem Fall doch anders durch die Gerichte entschieden. Es bleibt also der Faktor Unsicherheit, wenn es um die Schadensersatzforderungen für ein verletztes Pferd geht. Zwei Gerichtsurteile können aber als richtungsweisend betrachtet werden.

Zwei Pferde auf der Weide und eines ist verletzt

Haben in den vergangenen Jahren die Haftpflichtversicherer immer eine Quotelung vorgenommen, hat vor vier Jahren das Oberlandesgericht Nürnberg eine andere Richtung eingeschlagen. Haben sich zwei Pferde gekabbelt und eines der Tiere wurde dabei verletzt, so gingen die Versicherer von einem Mitverschulden aus. Der Schadensersatzanspruch des betroffenen Pferdehalters wurde um 50 Prozent gekürzt. Das OLG Nürnberg entschied: Kann der Halter des unverletzten Pferdes nicht beweisen, dass der Streit von dem verletzten Pferd ausging, so muss dessen Pferdehaftpflicht 100 Prozent zahlen (OLG Nürnberg, Az. 1 U 2358/14).

Mehrere Pferde auf der Weide und eines ist verletzt

Hier sind die Gegensätze in der Rechtsprechung noch gravierender: Wenn eines der Pferde auf der Weide durch die anderen Artgenossen verletzt wird, dann haften alle Pferdehalter gesamtschuldnerisch für den Schaden, sprich, die Tierarztkosten. Das entschied 2012 das Oberlandesgericht Koblenz (Az. 2 U 573/09). Der Bundesgerichtshof hingegen urteilte 2017: Wer sein Pferd aus Kostengründen oder aus Aspekten der artgerechten Haltung mit anderen Pferden auf einer Weide unterbringt, der trägt, wenn keine dauerhafte Beaufsichtigung gegeben ist, das Risiko von Verletzungen selbst (BGH, Az. VI ZR 25/17).

Wie können Sie Streitigkeiten auf der Weide vermeiden?

An erster Stelle steht: Pferde brauchen jede Menge Platz, damit sie die Möglichkeit haben, sich bei einem Streit aus dem Weg zu gehen. Pferdeexperten sind der Auffassung, dass 350 bis 400 Quadratmeter Weidefläche für jedes Pferd vorhanden sein müssen. Wer sein Pferd auf einer zu kleinen Fläche mit anderen Pferden unterbringt, erhöht damit generell das Risiko, dass es zu Kabbeleien kommt. Die Kosten für eine tierärztliche Behandlung muss der Halter des verletzten Pferdes selbst tragen (OLG Köln, Az. 18 U 98/13 – mehrere Pferde auf 250 Quadratmeter großem Paddock mit Offenstallanlage). Bei der Stallanlage müssen stets Fluchtwege vorhanden sein, damit keines der Pferde in die Enge getrieben werden kann. Ansonsten drohen in einem Stall, dessen Gänge baulich keine Fluchtmöglichkeit bietet, Verletzungen bei gehetzten oder gestressten Pferden.

Zusammenstellung der Gruppen beachten

mehrere Pferde auf einer Weide

Eine Trennung von Geschlechtern ist nicht zwingend notwendig. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass in reinen Wallach-Gruppen die Tiere nicht um die Stuten buhlen müssen, aber letztendlich führt ein gesunder Mix zwischen den Geschlechtern dazu, dass die Pferde sich harmonisch verhalten. Bei kleineren Gruppen bietet es sich an, die Anzahl der Pferde gerade zu halten. So wird keines der Tiere zum Außenseiter, quasi wie das fünfte Rad am Wagen.

Pferde benötigen jede Menge Beschäftigung

Pferde, die keine regelmäßige Auslastung haben, neigen dazu, Streitigkeiten auf der Weide anzuzetteln. Besonders dann, wenn die Fütterung das einzige Highlight des Tages ist, kommt es zu Machtkämpfen untereinander. Hier ist es besser, die Fresszeiten zu verlängern, so dass die Pferde nicht miteinander in Konflikt kommen. Dazu können Sie Heunetze verwenden, aber auch Knabberballen oder Futterspender. Nutzen Sie die Möglichkeit, Ihr Pferd so oft wie möglich zu beschäftigen. Das sollte im Übrigen auch für die anderen Pferdehalter gelten. Ist eines der Pferde dazwischen, das kaum Auslauf bekommt und sich langweilt, ist es wie bei kleinen Kindern: Es kommt auf dumme Gedanken und ärgert womöglich die anderen Tiere. Vor allem stressfreies Füttern steht bei einem Offenstall an oberster Stelle, ansonsten gibt es unweigerlich Konflikte zwischen den Pferden. Dafür benötigt jedes Pferd eine eigene Futterstelle, damit es hier nicht zu Reibereien kommt. Beim Hunger hören überall, auch im Pferdereich, die Freundschaften auf.

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